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Reto W. Kressig

Wissen teilen. Spuren hinterlassen. Danke, Prof. Dr. med. Reto W. Kressig.

10. June 2025 · ·

Ende Juni verabschieden wir unseren CMO Prof. Dr. med. Reto W. Kressig in den Ruhestand. Er kann auf zahlreiche Jahre als Impulsgeber in der Wissenschaft, Industrie und im Gesundheitswesen zurückblicken. Reto W. Kressig wurde 2006 auf den Lehrstuhl für Geriatrie an die Universität Basel berufen. Nach seiner chefärztlichen Tätigkeit am Universitätsspital Basel wechselte er 2013 an die Universitäre Altersmedizin FELIX PLATTER, in der er mehrere Jahre die Ärztliche Direktion innehatte und die Reputation des Spitals in den Themen Ernährung, Mobilität und Kognition massgeblich beeinflusste. Er ist Autor von über 200 wissenschaftlichen Original-Publikationen zu den Altersthemen Kognition, Mobilität und Ernährung. Zudem hat er die Felix Platter-Stiftung für Forschung und Innovation gegründet und im Rahmen der Stiftung die beiden beliebten Publikationen «gesund und smart» sowie «gesund und stark» in Zusammenarbeit mit Betty Bossi hervorgebracht. 2023 hat er das Ratgeberbuch «Gesund älter werden» mit weiteren Autoren publiziert. Seine Arbeit hat das Wissen und die Innovation in unserem Spital stark vorangetrieben und Generationen von Studentinnen und Studenten inspiriert und geprägt.

Seine Impulse haben Synergien geschaffen, innovative Forschungsprojekte hervorgebracht und zu prägenden Entwicklungen in den Bereichen Ärztlicher Dienst, Pflege und Therapien geführt. Darüber hinaus hat Reto W. Kressig nicht nur in der akademischen Welt, sondern auch in der breiten Bevölkerung bedeutende Spuren hinterlassen. Er hat mit unzähligen Vorträgen, Radio- und Fernsehinterviews sein Wissen in gesunder Ernährung weitergeben, zahlreiche Fragen beantwortet und in einfachen Worten erklärt, wie zufrieden und gesund altern geht.

Wir blicken gemeinsam mit unserem CMO Prof. Dr. med. Reto W. Kressig zurück. 

Sie haben die Reputation des Spitals in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Kognition massgeblich beeinflusst. Warum sind gerade diese drei Schwerpunkte wichtig und in welchem Bereich gab es die grössten medizinischen Fortschritte?

Reto W.  Kressig: Alle drei Themenkreise wurden bewusst ausgewählt, da sie für eine gute Lebensqualität im Alter eine zentrale Bedeutung haben. Dabei ist die Ernährung ein Querschnittsthema, da durch eine Optimierung sowohl Muskelgesundheit und Mobilität als auch die geistige Fitness positiv beeinflusst werden können. Hier sind in den letzten Jahren ‒ auch aufgrund eigener Studienergebnisse ‒ viele neue Erkenntnisse direkt in den Spitalalltag eingeflossen. So hat unsere Spitalküche proteinreiche Menus entwickelt, die teilweise durch spezifische Leucin-angereicherte Proteinsupplemente ergänzt werden und den physiotherapeutisch aktiv geförderten Muskelaufbau bei der Rehabilitation unserer Patienten unterstützen. Ein weiteres Beispiel für die Förderung der Mobilität sind spezielle musikgestützte Bewegungsprogramme wie die Dalcroze-Rhythmik, die wir in unserem Spital, aber auch – in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsdepartement – in allen Basler Quartieren eingeführt haben. Dadurch können sowohl die geistige Multi-Tasking-Fähigkeit als auch die Gangsicherheit verbessert und die Sturzrate über 50% reduziert werden. Was die Verbesserung der geistigen Fitness betrifft, steht die Einführung neuer, deutlich wirksamerer Anti-Amyloid-Therapien unserer Demenz-Patienten hoffentlich kurz bevor.

Wie hat sich unser Verständnis von gesundem Altern in den letzten Jahrzehnten verändert? Gibt es einen zentralen Paradigmenwechsel?

Reto W. Kressig: Vor rund zehn Jahren ist man zu der wissenschaftlichen Erkenntnis gelangt, dass wir 70 bis 80% des Alterungsprozesses durch unseren selbstgewählten Lebensstil beeinflussen können. Das hat unser Verständnis des Alterns revolutioniert. Die Art der Ernährung, regelmässige körperliche Aktivitäten verschiedenster Art, aber auch geistige Tätigkeiten haben plötzlich eine grosse Bedeutung für einen gesunden Alterungsprozess erlangt. Und wenn Menschen sich der positiven Auswirkungen eines gesunden Lebensstils bewusst sind, fällt es ihnen auch leichter, sich für entsprechende Veränderungen zu motivieren und damit das Heft des Handelns selbst zu übernehmen.

Wie definieren Sie «gesundes Altern» aus wissenschaftlicher Sicht?

Reto W. Kressig: Gesunde Langlebigkeit bzw. gesundes Altern stellt die Anzahl der Lebensjahre dar, die man uneingeschränkt durch chronische Erkrankungen, bei guter körperlicher und geistiger Fitness und damit bei guter Lebensqualität verbringt.

Wie gross ist der Einfluss genetischer Faktoren im Vergleich zu Lebensstilfaktoren auf unsere Lebensdauer und -qualität?

Reto W. Kressig: Die Genetik bestimmt nur zu rund 20% unseren Alterungsprozess. Dabei kann der Lebensstil bestehende genetische Risiken reduzieren oder sogar vollständig eliminieren. Eine wichtige Rolle spielen hier positive epigenetische Veränderungen, bei denen die Genexpression beeinflusst wird, ohne die DNA-Sequenz selbst zu modifizieren. Diese können durch einen günstigen Lebensstil im Laufe des Lebens aktiv herbeigeführt und auch mit Hilfe der biologischen Altersbestimmung gemessen werden. Deshalb hat die konsequente Evaluation des Lebensstils und eine entsprechende Beratung, wie sie z. B. an der zukünftigen Klinik des Schweizer Campus für gesunde Langlebigkeit durchgeführt wird, für einen gesunden Alterungsprozess mittlerweile eine grosse Bedeutung erlangt.

Sie haben im Jahr 2023 das Ratgeberbuch «Gesund älter werden» publiziert und in den letzten Jahren zu diesem Thema viele Referate für eine breit interessierte Bevölkerung gehalten. Warum ist Ihnen der Wissenstransfer in die Bevölkerung so wichtig?

Reto W. Kressig: Vorbeugen ist besser als heilen! In diesem Sinn sah ich mich als universitärer Lehrstuhlinhaber für Altersmedizin in der Verpflichtung und auch in der Verantwortung, nicht nur Studenten und Arztkollegen, sondern auch einer breiteren Öffentlichkeit die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu vermitteln. Wie diese konkret im Alltag umgesetzt werden, liegt dann in der Verantwortung jedes Einzelnen.

Auf Prof. Dr. med. Reto W. Kressig folgt Prof. Dr. Heike A. Bischoff-Ferrari, die ab Juli 2025 die Klinische Professur für Altersmedizin an der Universität Basel sowie die Leitung des Departements «Akute Altersmedizin» an der UAFP übernehmen wird.